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Europäisches Zentrum für Sprachwissenschaften Heidelberg / Mannheim

Europäismen – Semantische Gemeinsamkeiten im Wortschatz europäischer Sprachen

Deuropäismen_symbolbildie Linguistik europäischer Sprachen unterlag seit rund 200 Jahren dem sog. historisch-genetischen Modell der Sprachgeschichtsschreibung. Dies beinhaltet eine Konzentration auf die unteren Ränge des Sprachsystems (Laute, Formen), eine Orientierung auf die Ausdrucksseite der Sprache, die Konzeption einer bis zu rund 4000 Jahre alten, linienartig verlaufenen Geschichtslinie vom Indoeuropäischen zu einer modernen Kultursprache, die nationalkulturell bedingte Vorstellung der Einmaligkeit jeder dieser Sprachen und folglich die nationale Instrumentalisierung der jeweiligen Philologie. Das hier vorgeschlagene Forschungsprojekt stellt dem historisch-genetischen Modell eine in vielem diametral entgegenlaufende Konzeption gegenüber. Ihre Leitsätze lauten: Es gibt einen trotz allen historischen Wandels sich von anderen derartigen Räumen abhebenden, rund 2500 Jahre alten Kulturraum Europa.

Dieser Kulturraum beruht auf den Gemeinsamkeiten seiner Geschichte mit den Säulen ‚Alter Orient’, ‚griechische Philosophie’, ‚Christentum’, ‚römische Zivilisation’, ‚spätantike Vermittlung in das mittlere und nördliche Europa’, ‚Reformation’, ‚europäische Aufklärung’. Vermittlungsmedium ist die hohe, allen europäischen Sprachgemeinschaften eigene literarische, religiöse, philosophische, rechtliche, fachliche Literatur.Der Niederschlag der kulturgeschichtlichen Gemeinsamkeiten lässt sich weniger in Lauten und Formen als auf den höheren Rängen einer Sprache fassen und weniger auf deren Ausdrucksseite als auf der Inhaltsseite. Die Konzeption von Sprachgeschichte als einer Linie mutiert dann zu einer Konzeption eines wechselseitigen Geflechtes sprachlicher und literarischer Beziehungen mit den Leitsprachen und -literaturen Griechisch (für den Osten) bzw. Lateinisch (für den Westen). Das Geflecht schließt auch nichtindoeuropäische Sprachen (z. B. das Ungarische) ein. Der Wortschatz bildet denjenigen Sprachrang, in dem sich semantische Gemeinsamkeiten am offensichtlichsten zeigen. Damit zielt das Vorhaben auf semantische Gemeinsamkeiten im Wortschatz mehrerer europäischer (größerer und kleinerer, indoeuropäischer und isolierter) Sprachen, auf das im Wortschatz gespeicherte europäische Bild- und Assoziationsgeflecht. Ein kontrastiver Einbezug nicht europäischer Sprachen ist geplant.

Das Vorhaben hat erhebliche Auswirkungen auf den wissenschaftliche Forschung und die akademische Lehre. Folgende Themen werden eine neue Gewichtung erfahren: ‚Europa als Übersetzungsverband’, ‚wissensbezogene Texte’, ‚Lehnbezüge als Kontaktrealität (statt als Systemstörung)’, ‚Interdisziplinarität der bisher nationalen Philologien’.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Oskar Reichmann (Universität Heidelberg)
Prof. Dr. Jörg Riecke (Universität Heidelberg)
Janine Luth (EZS-Geschäftsstelle)